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Wie ich Bibi Blockberg disste.

Das ist eine Geschichte für den Schreibwettbewerb von Mondsilber, den mit den Sprüchen und den Charaktern.

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    Ich beobachtete die kleine Pferde-Pussy von der Veranda aus, wie sie aus dem gegenüberliegendem Haus in einem mit kleinen Pferden bedruckten T-Shirt herauskam und biss gelangweilt von meinem Apfel ab.
    Finja schaute zu mir herüber. »Schön das du da bist, Trottel!«, gaffte ich, »Und nicht hier!«
    Ein höhnisches Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus, während ich meine Haare im hohen Bogen über die Schulter warf. Finja verdrehte bei meinem Anblick genervt die Augen.
    »Warum verdrehst du die Augen?«, fragte ich. »Suchst du nach deinem Gehirn?«
    Peinlich berührt lief sie mit hochrotem Kopf über den Bürgersteig und bog in die nächste Straße ein. Und genau da lag ihr Problem: Sie wehrte sich nicht. Sie floh, wie ein Pferd.
    »Hey, zum Reitstall geht es da lang!«, rief ich ihr noch hinterher und deutete auf die Biotonne am Wegrand.
    Ein bisschen traurig war ich schon, dass sie dies nicht mehr gehört hatte und nun weg war, aber ich war mir sicher, dass diese pferdefanatische Barbie gleich wieder mit ihren todeslästigen Freundinnen hier auftauchen würde, wahrscheinlich auch noch mit so Seilen, zum Pferd spielen.
    Bis dahin hätte ich noch genügend Zeit, um nach neuen Diss-Sprüchen zu googeln.
    In Gedanken versunken, blickte ich in die Sonne und kniff meine Augen zusammen.
    Eigentlich wusste ich nicht mehr genau, wann ich angefangen hatte, Finja zu mobben. Vielleicht begann es an dem Tag, an dem sie ins Haus gegenüber mit ihrer noch so harmonischen Familie einzog. Vielleicht auch der Tag, an dem ich sie bei den Pferdeställen nahe der Ortschaft entdeckte, und sie gekreischt hatte, sie würde ihr Pferd »Flöckchen« nennen. Sollte sie doch mit ihrem Flöckchen dahin reiten, wo der Pfeffer wuchs.
    Ich konnte sie nämlich nicht leiden.
    »Mallory? Hast du schon wieder das Mädchen von gegenüber geärgert? Ich hab dir doch gesagt, du sollst das lassen! Sie ist elf!«, rief eine Stimme aus der Küche.
    Meine Mom sollte am besten auch dahin gehen, wo der Pfeffer wuchs. Sie konnte mich so oft zurechtweisen, wie sie wollte und mir ihre lächerlichen zwei Wochen Bildschirmverbot geben, aber ich würde einfach aus Prinzip nicht aufhören, Finja zu dissen und zu mobben.
    Dafür lief sie einfach zu memehaft durch die Gegend und benahm sich so dümmlich wie eine Figur aus Bibi&Tina persönlich.
    Ich wette, ihre Mutter sang ihr täglich alle Songtexte zum einschlafen.
    Und ihr Vater beatboxte dazu.
    Gechillt setzte ich mich auf unseren alten Schaukelstuhl und schlug die Beine übereinander. Aus dem Augenwinkel beobachtete ich ihr gelb gestrichenes Haus, durch dessen einem Fenster ich zu meiner Überraschung ein großes Aquarium mit unzähligen bunten Fischen entdecken konnte. Dass sie drei Katzen und einen Hund hatte, wusste ich schon.
    Ihr verdammter Hund hatte auf meine Schuhe gepinkelt.
    Auf meine neuen Schuhe.
    Was ich auch über sie gehört hatte, war, dass sie eine kleine Streberin ist, und dass sie reiten ging, auch wenn dieses Opfer dachte, nur ihre Freundinnen wüssten davon.
    Aber mal ehrlich, wenn sie in ihrem peinlichen Reitoutfit und ihren vollgescheißten Stiefeln durch die Gegend lief, musste man den IQ eines Toastbrotes haben, ums nicht zu checken.
    Auf einmal sah ich, wie ihre Familie aus der Tür stürmte.
    Ihre Mutter im Bademantel, ihr Vater in Häschenpantoffeln.
    Oha, der sechste Sinn für Stil lag wohl in der Familie.
    Finjas Eltern liefen aufgebracht zu ihrer roten Schrottkarre und fuhren los.
    Ohne sich anzuschnallen, ohne einmal in den Rückspiegel zu gucken.
    Irgendwas stimmte hier ganz und gar nicht, aber es gefiel mir irgendwie. Hoffentlich hielt die Polizei sie an und gab ihnen einen Strafzettel.
    Wegen Verstoß des Memehaftigsein-Gesetztes.
    Ich kicherte.

    Als ich am nächsten Tag nach der Schule nach Hause lief und in unsere Straße einbog, sah ich wie Finja mit ihren verrückten Eltern aus dem Auto stieg.
    Sie heulte leicht und an ihrem Knie klebte ein Pflaster. Ein winziges Pflaster.
    Mit scheiß Pferden drauf.
    Es dauerte nicht lange, bis ich eins und eins zusammenzählen konnte.
    Finja war gestern gestürzt und hatte nun eine winzige Wunde, wie man sie in der Grundschule immer gehabt hatte, wenn man Kettenfangen oder whatever gespielt hatte.
    Und ihre Eltern waren trotzdem ohne mit der Wimper zu zucken aus dem Haus gerannt, um nach ihrer armen Tochter zu sehen.
    Ich wette, sie waren deshalb sogar im Krankenhaus gewesen.
    Ich wette, Finja war heute deshalb sogar nicht in der Schule gewesen.
    Ich wette, ihre Eltern liebten Finja mehr als alles andere.
    Was auch verständlich war, sie waren eben ihre Eltern.
    Aber eine fiese, leise Stimme in meinem Kopf flüsterte mir zu, dass meine Eltern bei solch einem Sturz nicht so reagiert hätten, wäre ich noch elf Jahre alt. Und sie flüsterte mir auch zu, dass Finja wahrscheinlich gar nicht bewusst war, was für ein verdammtes Glück sie hatte.
    Gute Noten, gute Freundinnen, überbesorgte Eltern, den halben Zoo bei sich zu Hause.
    Ich hatte so etwas nicht.
    Würde ich auch nie haben.
    Und deshalb, die Erkenntnis tat mehr weh als ihr schrilles »Hex-hex!« in meinen Ohren, wenn sie mal wieder mit ihren Freundinnen Bibi&Tina spielte, mobbte ich sie auch.
    Weil ich neidisch war, auf ein dummes, naives, elfjähriges Mädchen.
    Sie trug praktisch einen goldenen Topf voll Glück, den sie wahrscheinlich in einen ihrer blödsinnigen Träumen am Ende des Regenbogens gefunden hatte, bei sich, ohne es zu merken, ohne ihn wertzuschätzen.
    Sie war ein verdammter Glückspilz.
    Aber Pilze schmeckten eklig.
    Und ich Schwachkopf, saß täglich auf meiner Veranda und googelte Diss-Sprüche. Lief gut bei mir.
    Mit einem Ich-hasse-alles-und-jeden-Blick trat ich durch die Tür meines Hauses und stützte die Hände auf der kalten Arbeitsplatte in der Küche ab.
    Mädchen wie ich weinten nicht.
    Nie.
    Ich atmete tief ein und aus, aber der gemeine Kloß in meinem Hals ging nicht weg, als ob es da draußen keine passenderen Kinder gäbe, denen er einen Besuch abstatten könnte.
    Ein kurzes vibrieren drang durch die Gesäßtasche meiner Jeans, und ich holte mein Handy heraus.
    »Willst du heute zu mir kommen?«, schrieb Penny, eine sehr gute Freundin von mir aus der Schule.
    Ungewollt stahl sich ein zaghaftes Lächeln auf mein Gesicht.


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